Der Klaus hatte weiland in seinen Geburtstag wieder
reingefeiert. Mit den üblichen Verdächtigen: Moritz Fiege, Moët & Chandon,
Glen Morangie, Saint Emilion, Petit Chablis, Aqua Vit, Grand Marnier, Remy
Martin, Château Neuf du Pape und wie sie alle heißen. Zu meiner großen Überraschung waren meine
beiden Ex-Säckchenwerfer aber am Freitag schon
vormittags aufgestanden und verbreiteten so richtig voll die Hektik und
bestachen durch rege Betriebsamkeit.
Tatsächlich fanden sich nachmittags
freundliche Gratulanten und hämische Mittvierziger ein, die meinen Klaus mit
Geschenken überhäuften, herzten und den Eindruck machten, als wie, wenn die
diesen Kotzbrocken sogar ein bisschen leiden könnten. Zum Glück für meinen
Klaus kamen auch noch Christine und Jean aus dem hohen Norden angereist um den
Altersdurchschnitt anzuheben und dem Klaus ein besseres Gefühl zu geben, obwohl
sie auch dem Klaus seine Nichte 2. Grades im Schlepptau hatten, die allerdings
lieber weiterhin eine Großcousine sein will … aber das ist ein anderes Thema.
Als dann auch noch Kinder auf unserem Anwesen auftauchten, musste ich aus
Sicherheitsgründen ins Schlafzimmer. Die Kinder sind schlecht sozialisiert und
haben Angst vor mir. Lächerlich!
Später durfte ich dann auch zur Feier
dazu stoßen und musste erkennen, dass der Jean schon nach einer Flasche „Fiege
Bernstein“ einen seltsamen Wandel vollzogen hatte. Die Hutkrempe tief ins
Gesicht gezogen musterte er auffällig Klausens Kontaktmann bei der Bundesbank,
der ihm gegenüber am Tisch saß und der dem Klaus, dem seine jährlichen Zinsen
in frisch gedruckten Euroscheinen überbracht hatte. Der Jean wirkte wie ein
Agent vom KGB, dem CIA oder vom Verfassungsschutz. Mein Klaus weiß sehr wohl,
warum er diese Bernsteinplörre nicht anrührt. Jedenfalls wollte der Jean
unbedingt wissen, wo die BRD der ihre Goldreserven versteckt hat. Uns anderen
war das völlig schnurz, doch als wir herausbekamen, dass es sich dabei wohl um
knapp 3.600 Tonnen handeln soll, wurden wir stutzig. Anne wollte unbedingt
ihren persönlichen Anteil an den Goldtalern stante pede ausgezahlt bekommen.
Ich hingegen überschlug kurz im Kopf, dass für jeden das gerade Mal 1.750 Euros
ergibt, wenn man die Hunde nicht mitzählt. Da hab ich mich lieber aus dem
Zimmer geschlichen und unseren Wandtresor mit meinem Klaus dem seinen
persönlichen Goldreserven bewacht, bevor jemand auf dumme Gedanken kommt. Jetzt
sind wieder alle weg. Aber der Klaus hat heute Mittag heimlich seine
Edelmetalle sorgfältig abgewogen, dass es ihm auch ja an keiner Unze fehle.
Boh ey, der Klaus hat danach wohl ganz
dem seinen Verstand verloren. Hat eine Woche später unserer Labertasche im
Armaturenbrett, der Lucy, ein neues Ziel eingegeben. "Maison Emma". Und ich sag noch, dass das
ja wohl "Keremma" heißen müsste. Aber auf mich hört ja keiner. Kam
dann auch so, wie’s kommen musste. Normal über Fritten-Belgien rüber nach
Frankreich und die A2 runter bis zum Kreuz mit der A29 und dann ab nach Amiens.
Aber nix da. Lucys übliche Floskel "an der nächsten Ausfahrt rechts
abbiegen und der A29 folgen" blieb aus. Klaus fuhr weiter geradeaus und
Lucy schwieg. Noch nicht einmal ein "wenn möglich, bitte wenden"
brachte sie heraus. Ende vom Lied: Wir landeten in einem Hotel gleich
neben der Autobahn. Zweimal tauschten Klaus und Sabine das angebotene Zimmer
wieder um, weil die Jalousien kaputt waren. Billige Absteige aus dem Internet
eben. Dann ließen sie mich auch noch allein im Zimmer zurück, weil sie dinieren
wollten. Auch das Essen ließen sie wieder zurückgehen, weil ihnen der Garpunkt
des Entrecôtes nicht genehm war. Konnte ich alles vom Fenster aus sehen,
weil der Speisesaal direkt gegenüber von
unserem Zimmer war. Die angebrochene Pulle Côte du Rhône und ein adäquates
Trinkgefäß brachte der Klaus sich mit aufs Zimmer, nachdem er sich „zur
Verdauung“ noch einen dreifachen Calvados hinter die Binde gekippt hatte.
Am
nächsten Morgen, nach ein paar Bröckchen Hundefutter für mich und einem
erbärmlichen Frühstück für die Zweibeiner, hatte Lucy im Armaturenbrett ihre
Sprachsteuerung wiedergefunden und lotste uns zurück zur Autobahn. Schickte den
Klaus doch glatt in die falsche Richtung! Statt Richtung Lille und Amiens
düsten wir also Richtung Paris. Macht doch alle, was ihr wollt, dachte ich mir,
rollte mich gemütlich ein, nahm meine als Nucki unschlagbare Schwanzspitze ins
Mäulchen und döste ab. Zwischendurch träumte ich vom Tour d ‘Eiffel, dem Arc de Triomphe, der Champs
Elysée, dem
Montmartre und – Klausens miserablen
Allgemeinzustand im Hinterköpfchen – dem L' Hôtel national des Invalides.Als mein Klaus das Fluchen eingestellt
hatte, hatten wir auch Paris hinter uns gelassen. Die Autobahn führte uns
vorbei an den berühmten Städten Orléans, Tour und Poitiers. Und als ich das
nächste Mal wieder aufwachte, da war die Lucy voll am Spinnen. Sie krächzte
„bitte geradeaus fahren“ obwohl direkt vor uns eine
Kaimauer war. Zum Glück stand da ein großes Schiff, in den der Touran und noch
viele weitere Autos hinein passten. Die hatten wohl alle das gleiche blöde Navi
wie der Klaus. Wenden konnte keiner mehr und so kam es, wie es kommen musste:
Das Schiff legte ab und wir fügten uns in unser Schicksal. Ich machte darauf
aufmerksam, dass ich weder für die Britischen Inseln noch für die USA im Besitz
gültiger Einreisepapiere wäre. Aber schon nach einer Viertelstunde legte das
Schiff wieder an und machte die Türen vorne auf, sodass wir mühelos wieder
festen Boden unter die Räder bekamen. Und jetzt ließen Sabine und Klaus die
Katze aus dem Sack. Nicht die Bredouille und auch nicht die Ardèche waren diesmal unser Ziel, sondern die
Halbinsel Gironde. Genauer: das Médoc. Nach weiteren dreißig Minuten Fahrt, vorbei an Kuh- und Pferdewiesen und
beeindruckenden Weinfeldern, erreichten wir Gaillan-en-Medoc und unser Ferienhaus „Maison Emma“. Hier also lag der Hase im Pfeffer. Außer Ker Emma gibt es also
auch ein Maison gleichen Namens. Ein überraschend in weiß-blau gehaltenes
imposantes Anwesen mit reichlich Grundstück und komfortablen Räumlichkeiten.
Sabine baute auch prompt im Garten meinen Miniparcours für durchgedrehte Aussies
auf und ich fand in den Büschen ein Bällchen ohne Luft und eine Plastikmöhre
mit ohne Quietsche zum draufrumbeißen. Toll!
Am nächsten Tag, so wie auch in den kommenden 14, fuhren wir an die
Atlantikküste an den Strand. Das dauerte länger als erwartet und ging
schnurgerade – und wenn ich schnurgerade sage, dann meine ich auch schnurgerade
– durch die Pinienwälder immer so lange, bis es sandig wurde. Da war dann
hinter den Dünen das Meer. Riesiger Strand. Ansehnlicher Wellengang und
landestypische Bebauung. Deutsche Bauwerke. Die uns aus der Normandie und der
Bretagne allseits bekannten Restposten von Stahlbetonbunkern aus dem Zweiten
Weltkrieg. Sind einfach nicht kaputt zu kriegen und ob die seit einigen Jahren
übliche Bemalung mittels Graffiti wirklich der Verschönerung dient, wage ich zu
bezweifeln.Übrigens gab es außer den Bunkern keinerlei Abwechslung. Meer, Sand, Düne
und dann Pinienwald. Also: Meer, Sand, Düne und dann Pinienwald. Lucy hatte uns,
je nach Ausgangspunkt, über drei unterschiedliche Routen zum Strand gelotst und
das war uns Dreien nicht aufgefallen. Denn wir fuhren ja in Richtung Strand auf
allen drei Routen schnurgerade durch den Pinienwald, bis der Sand kam, wir
parkten, über die Düne an den Strand und bis ans Meer gingen.
Mit dem Wetter hatten wir voll Glück. Abgesehen von ein paar Tropfen bei
unserer Ankunft und dem Platzregen bei unserer Abfahrt, schien fast ausnahmslos
die Sonne und in der ersten Woche war es teilweise über 30°. Bestümmt gut für
die Weinstöcke am Straßenrand, denen der Klaus ehrfürchtig huldigte. Jeden
Abend gab‘s dann auch ein Fläschchen der ausgereiften regionalen Köstlichkeit
auf Klausens strapazierte Leber. Jeden Abend von einem anderen Château. Und die nennen hier jeden Bauernhof mit angeschlossenen Weinfeldern so.
Aber Herr Langenscheidts hatte für uns die Lösung parat. Château bedeutet
nämlich nicht nur Schloss, sondern auch einfach nur Weingut.
Einen Tag haben wir auch einen Ausflug gemacht. Ihr wisst ja: Ausflug
ist, wenn Klaus und Sabine sich Sachen angucken und hin und her fahren und ich
hinten in der Autokiste mich langweile. Da hat der Klaus übermütig mit dem
Touran ein Wendemanöver am Strand gestartet. Den Reifenspuren eines anderen Wagens
folgend. Bloß jener hatte wohl Allradantrieb – der Klaus seit 2006 leider nicht
mehr. Steckten also fest mit dem dusseligen Frontantrieb und dem an dieser Stelle
voll nutzlosen „Schlechtwegefahrwerk“. Kamen aber gerade zwei hilfsbereite einheimische
Grazien vorbei, die uns aus der Bredouille mittels Schieben befreiten. Zum Glück
musste ich nicht auch noch aussteigen und deuen. Seltsam, von diesem Ereignis
habe ich in Kläuschens Fotoalbum gar keine Bilder gefunden …
Schon nach zwei Wochen wurde wieder gepackt. Dem Privatier, dem seine
Schatulle schein auch so langsam auf Reserve zu schalten, hihi. Wieder lotste
uns Lucy auf die Fähre und wir setzten über nach Rojan. Es regnete in Strömen und wir hielten uns auf der Reise über die Dörfer
konsequent auf Kurs Nord-Nordwest. Mit Autobahnen sind die in dieser Gegend
nicht so gut bestückt. Weder an Poitiers, Tour noch Orléans kamen wir vorbei. Stattdessen passierten wir Rochefort, La Rochelle, Nantes und Vanne. Hinter Lorient änderte Lucy den Kurs auf konsequent Nord und wir durchschnitten das
bretonische Hinterland. Und als wir schließlich Morlaix erreichten, einen kleinen Schlenker auf meine N12 einlegten und die
Ausfahrt Richtung Roscoff, St.-Pol-de-Leon und Carantec nahmen, wurde mir warm ums Herz. Wir näherten uns meinem geliebten Keremma. Plouescat, Trouz-ar-Mor und endlich Vögel zum Jagen. Am Atlantik finden
es nämlich selbst die Möwen landschaftlich zu langweilig und fliegen lieber
hier an die Côte des Legendes.Trouz-ar-Mor war wohl schon anderweitig vermietet und so parkten wir vor
dem Ty-ar-Roc’h, quasi der Wiege meiner bretonischen Abenteuer.
Es hatte
aufgehört zu regnen, aber es war bitterkalt. Am Abend gab es das bayerische
Fiasko gegen Chelsea im Satellitenfernsehen und der arme Klaus bekam seinen
nächsten Schlag auf dem seine schon so arg gebeutelte Fußballseele. Arme Sau.
Wir haben ihn dann allein gelassen mit seinen „Plus de 300 Ans de Savoir-Faire“
in Dosen und dem Uni-Medoc in Tüten, den er sich aus Gaillan mitgebracht hatte.Am nächsten Morgen fuhren wir endlich an den Strand von Ker Emma.
Herrlich! Erst durch die von weichem Moos und kurzem Rasen umschmeichelte,
flache Düne und dann … Vögel, Felsen und Muschelschrubber. Ein stattlicher Wind
treibt die weißen Wolken über den himmelblauen Himmel. Das Wasser zieht sich
ehrfurchtsvoll zurück bis fast zu den Britischen Inseln und das Tor zur Bucht
von Goulven lädt mich ein zu einem gigantischen Sprint. Usain Bolt wäre blass
vor Neid. Und dann das: Steht doch plötzlich dieser Sisu, mein Cousin aus der
Eifel, neben mir und grinst blöde. Auch dem Klaus, dem sein Bruder und dem
Klaus, dem seine Schwägerin wagten, es den heiligen Boden Keremmas zu betreten.
Wo kamen die bloß her. Na egal. Geht mir doch an der Kruppe vorbei. Und wenn
dieser Sisu, das Weichei, sich nicht anständig benimmt, gibt’s auf die Fresse,
damit das klar ist! Seltsamerweise habe ich mich dann aber doch ganz gut mit
ihm verstanden und wir sind sogar mehrmals zusammen den Vögeln nachgejagt. Nur
beim Wasser machte er den Yannemann. Allerdings, so wird kolportiert, zum Ende
der Ferien wäre er sogar geschwommen. Aber da waren wir schon wieder zurück in
Bochum. Leider einen kleinen Augenblick zu spät, um die 3 : 5 – Niederlage der
Nationalelf gegen die Schweiz noch live mitzuerleben.
Und jetzt ist Europameisterschaft und endlich hat mein Klaus auch sein
erstes Erfolgserlebnis. Die Sommerdepression kann aber immer noch kommen. Jetzt
wisst ihr auch, was ich so gemacht habe in all den Wochen. Und die Politik? Die
geht mir voll an der Kruppe vorbei. Ich bin so seltsam gelassen seit meiner
letzten Empfängnisbereitschaft. Lass doch den Gernot Hassknecht von der „heuteshow“
sich aufregen. Ich nicht. Lass die mal machen. Die werden schon sehen, wo das
noch hinführt. Und wenn meine Östrogene, Gestagene und das Progesteron endlich
wieder aus dem Gleichgewicht sind, ich mich haare wie Hulle und ich das
Vorhandensein einer Leine wieder konsequent negiere, dann werde ich mich auch
wieder aufregen. Über die Angela, den Philipp und das Schröderküken und wie sie
alle heißen.
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