Sonntag, 10. Juni 2012

V-Männer und andere Ereignisse

Der Klaus hatte weiland in seinen Geburtstag wieder reingefeiert. Mit den üblichen Verdächtigen: Moritz Fiege, Moët & Chandon, Glen Morangie, Saint Emilion, Petit Chablis, Aqua Vit, Grand Marnier, Remy Martin, Château Neuf du Pape und wie sie alle heißen. Zu meiner großen Überraschung waren meine beiden Ex-Säckchenwerfer aber am Freitag schon vormittags aufgestanden und verbreiteten so richtig voll die Hektik und bestachen durch rege Betriebsamkeit.
Tatsächlich fanden sich nachmittags freundliche Gratulanten und hämische Mittvierziger ein, die meinen Klaus mit Geschenken überhäuften, herzten und den Eindruck machten, als wie, wenn die diesen Kotzbrocken sogar ein bisschen leiden könnten. Zum Glück für meinen Klaus kamen auch noch Christine und Jean aus dem hohen Norden angereist um den Altersdurchschnitt anzuheben und dem Klaus ein besseres Gefühl zu geben, obwohl sie auch dem Klaus seine Nichte 2. Grades im Schlepptau hatten, die allerdings lieber weiterhin eine Großcousine sein will … aber das ist ein anderes Thema. Als dann auch noch Kinder auf unserem Anwesen auftauchten, musste ich aus Sicherheitsgründen ins Schlafzimmer. Die Kinder sind schlecht sozialisiert und haben Angst vor mir. Lächerlich!
Später durfte ich dann auch zur Feier dazu stoßen und musste erkennen, dass der Jean schon nach einer Flasche „Fiege Bernstein“ einen seltsamen Wandel vollzogen hatte. Die Hutkrempe tief ins Gesicht gezogen musterte er auffällig Klausens Kontaktmann bei der Bundesbank, der ihm gegenüber am Tisch saß und der dem Klaus, dem seine jährlichen Zinsen in frisch gedruckten Euroscheinen überbracht hatte. Der Jean wirkte wie ein Agent vom KGB, dem CIA oder vom Verfassungsschutz. Mein Klaus weiß sehr wohl, warum er diese Bernsteinplörre nicht anrührt. Jedenfalls wollte der Jean unbedingt wissen, wo die BRD der ihre Goldreserven versteckt hat. Uns anderen war das völlig schnurz, doch als wir herausbekamen, dass es sich dabei wohl um knapp 3.600 Tonnen handeln soll, wurden wir stutzig. Anne wollte unbedingt ihren persönlichen Anteil an den Goldtalern stante pede ausgezahlt bekommen. Ich hingegen überschlug kurz im Kopf, dass für jeden das gerade Mal 1.750 Euros ergibt, wenn man die Hunde nicht mitzählt. Da hab ich mich lieber aus dem Zimmer geschlichen und unseren Wandtresor mit meinem Klaus dem seinen persönlichen Goldreserven bewacht, bevor jemand auf dumme Gedanken kommt. Jetzt sind wieder alle weg. Aber der Klaus hat heute Mittag heimlich seine Edelmetalle sorgfältig abgewogen, dass es ihm auch ja an keiner Unze fehle.
Boh ey, der Klaus hat danach wohl ganz dem seinen Verstand verloren. Hat eine Woche später unserer Labertasche im Armaturenbrett, der Lucy, ein neues Ziel eingegeben. "Maison Emma". Und ich sag noch, dass das ja wohl "Keremma" heißen müsste. Aber auf mich hört ja keiner. Kam dann auch so, wie’s kommen musste. Normal über Fritten-Belgien rüber nach Frankreich und die A2 runter bis zum Kreuz mit der A29 und dann ab nach Amiens. Aber nix da. Lucys übliche Floskel "an der nächsten Ausfahrt rechts abbiegen und der A29 folgen" blieb aus. Klaus fuhr weiter geradeaus und Lucy schwieg. Noch nicht einmal ein "wenn möglich, bitte wenden" brachte sie heraus. Ende vom Lied: Wir landeten in einem Hotel gleich neben der Autobahn. Zweimal tauschten Klaus und Sabine das angebotene Zimmer wieder um, weil die Jalousien kaputt waren. Billige Absteige aus dem Internet eben. Dann ließen sie mich auch noch allein im Zimmer zurück, weil sie dinieren wollten. Auch das Essen ließen sie wieder zurückgehen, weil ihnen der Garpunkt des Entrecôtes nicht genehm war. Konnte ich alles vom Fenster aus sehen, weil der Speisesaal direkt gegenüber von unserem Zimmer war. Die angebrochene Pulle Côte du Rhône und ein adäquates Trinkgefäß brachte der Klaus sich mit aufs Zimmer, nachdem er sich „zur Verdauung“ noch einen dreifachen Calvados hinter die Binde gekippt hatte.
Am nächsten Morgen, nach ein paar Bröckchen Hundefutter für mich und einem erbärmlichen Frühstück für die Zweibeiner, hatte Lucy im Armaturenbrett ihre Sprachsteuerung wiedergefunden und lotste uns zurück zur Autobahn. Schickte den Klaus doch glatt in die falsche Richtung! Statt Richtung Lille und Amiens düsten wir also Richtung Paris. Macht doch alle, was ihr wollt, dachte ich mir, rollte mich gemütlich ein, nahm meine als Nucki unschlagbare Schwanzspitze ins Mäulchen und döste ab. Zwischendurch träumte ich vom Tour d ‘Eiffel, dem Arc de Triomphe, der Champs Elysée, dem Montmartre und – Klausens miserablen Allgemeinzustand im Hinterköpfchen – dem L' Hôtel national des Invalides.Als mein Klaus das Fluchen eingestellt hatte, hatten wir auch Paris hinter uns gelassen. Die Autobahn führte uns vorbei an den berühmten Städten Orléans, Tour und Poitiers. Und als ich das nächste Mal wieder aufwachte, da war die Lucy voll am Spinnen. Sie krächzte „bitte geradeaus fahren“ obwohl direkt vor uns eine Kaimauer war. Zum Glück stand da ein großes Schiff, in den der Touran und noch viele weitere Autos hinein passten. Die hatten wohl alle das gleiche blöde Navi wie der Klaus. Wenden konnte keiner mehr und so kam es, wie es kommen musste: Das Schiff legte ab und wir fügten uns in unser Schicksal. Ich machte darauf aufmerksam, dass ich weder für die Britischen Inseln noch für die USA im Besitz gültiger Einreisepapiere wäre. Aber schon nach einer Viertelstunde legte das Schiff wieder an und machte die Türen vorne auf, sodass wir mühelos wieder festen Boden unter die Räder bekamen. Und jetzt ließen Sabine und Klaus die Katze aus dem Sack. Nicht die Bredouille und auch nicht die Ardèche waren diesmal unser Ziel, sondern die Halbinsel Gironde. Genauer: das Médoc. Nach weiteren dreißig Minuten Fahrt, vorbei an Kuh- und Pferdewiesen und beeindruckenden Weinfeldern, erreichten wir Gaillan-en-Medoc und unser Ferienhaus „Maison Emma“. Hier also lag der Hase im Pfeffer. Außer Ker Emma gibt es also auch ein Maison gleichen Namens. Ein überraschend in weiß-blau gehaltenes imposantes Anwesen mit reichlich Grundstück und komfortablen Räumlichkeiten. Sabine baute auch prompt im Garten meinen Miniparcours für durchgedrehte Aussies auf und ich fand in den Büschen ein Bällchen ohne Luft und eine Plastikmöhre mit ohne Quietsche zum draufrumbeißen. Toll!
Am nächsten Tag, so wie auch in den kommenden 14, fuhren wir an die Atlantikküste an den Strand. Das dauerte länger als erwartet und ging schnurgerade – und wenn ich schnurgerade sage, dann meine ich auch schnurgerade – durch die Pinienwälder immer so lange, bis es sandig wurde. Da war dann hinter den Dünen das Meer. Riesiger Strand. Ansehnlicher Wellengang und landestypische Bebauung. Deutsche Bauwerke. Die uns aus der Normandie und der Bretagne allseits bekannten Restposten von Stahlbetonbunkern aus dem Zweiten Weltkrieg. Sind einfach nicht kaputt zu kriegen und ob die seit einigen Jahren übliche Bemalung mittels Graffiti wirklich der Verschönerung dient, wage ich zu bezweifeln.Übrigens gab es außer den Bunkern keinerlei Abwechslung. Meer, Sand, Düne und dann Pinienwald. Also: Meer, Sand, Düne und dann Pinienwald. Lucy hatte uns, je nach Ausgangspunkt, über drei unterschiedliche Routen zum Strand gelotst und das war uns Dreien nicht aufgefallen. Denn wir fuhren ja in Richtung Strand auf allen drei Routen schnurgerade durch den Pinienwald, bis der Sand kam, wir parkten, über die Düne an den Strand und bis ans Meer gingen.
Mit dem Wetter hatten wir voll Glück. Abgesehen von ein paar Tropfen bei unserer Ankunft und dem Platzregen bei unserer Abfahrt, schien fast ausnahmslos die Sonne und in der ersten Woche war es teilweise über 30°. Bestümmt gut für die Weinstöcke am Straßenrand, denen der Klaus ehrfürchtig huldigte. Jeden Abend gab‘s dann auch ein Fläschchen der ausgereiften regionalen Köstlichkeit auf Klausens strapazierte Leber. Jeden Abend von einem anderen Château. Und die nennen hier jeden Bauernhof mit angeschlossenen Weinfeldern so. Aber Herr Langenscheidts hatte für uns die Lösung parat. Château bedeutet nämlich nicht nur Schloss, sondern auch einfach nur Weingut.
Einen Tag haben wir auch einen Ausflug gemacht. Ihr wisst ja: Ausflug ist, wenn Klaus und Sabine sich Sachen angucken und hin und her fahren und ich hinten in der Autokiste mich langweile. Da hat der Klaus übermütig mit dem Touran ein Wendemanöver am Strand gestartet. Den Reifenspuren eines anderen Wagens folgend. Bloß jener hatte wohl Allradantrieb – der Klaus seit 2006 leider nicht mehr. Steckten also fest mit dem dusseligen Frontantrieb und dem an dieser Stelle voll nutzlosen „Schlechtwegefahrwerk“. Kamen aber gerade zwei hilfsbereite einheimische Grazien vorbei, die uns aus der Bredouille mittels Schieben befreiten. Zum Glück musste ich nicht auch noch aussteigen und deuen. Seltsam, von diesem Ereignis habe ich in Kläuschens Fotoalbum gar keine Bilder gefunden …
Schon nach zwei Wochen wurde wieder gepackt. Dem Privatier, dem seine Schatulle schein auch so langsam auf Reserve zu schalten, hihi. Wieder lotste uns Lucy auf die Fähre und wir setzten über nach Rojan. Es regnete in Strömen und wir hielten uns auf der Reise über die Dörfer konsequent auf Kurs Nord-Nordwest. Mit Autobahnen sind die in dieser Gegend nicht so gut bestückt. Weder an Poitiers, Tour noch Orléans kamen wir vorbei. Stattdessen passierten wir Rochefort, La Rochelle, Nantes und Vanne. Hinter Lorient änderte Lucy den Kurs auf konsequent Nord und wir durchschnitten das bretonische Hinterland. Und als wir schließlich Morlaix erreichten, einen kleinen Schlenker auf meine N12 einlegten und die Ausfahrt Richtung Roscoff, St.-Pol-de-Leon und Carantec nahmen, wurde mir warm ums Herz. Wir näherten uns meinem geliebten Keremma. Plouescat, Trouz-ar-Mor und endlich Vögel zum Jagen. Am Atlantik finden es nämlich selbst die Möwen landschaftlich zu langweilig und fliegen lieber hier an die Côte des Legendes.Trouz-ar-Mor war wohl schon anderweitig vermietet und so parkten wir vor dem Ty-ar-Roc’h, quasi der Wiege meiner bretonischen Abenteuer.
Es hatte aufgehört zu regnen, aber es war bitterkalt. Am Abend gab es das bayerische Fiasko gegen Chelsea im Satellitenfernsehen und der arme Klaus bekam seinen nächsten Schlag auf dem seine schon so arg gebeutelte Fußballseele. Arme Sau. Wir haben ihn dann allein gelassen mit seinen „Plus de 300 Ans de Savoir-Faire“ in Dosen und dem Uni-Medoc in Tüten, den er sich aus Gaillan mitgebracht hatte.Am nächsten Morgen fuhren wir endlich an den Strand von Ker Emma. Herrlich! Erst durch die von weichem Moos und kurzem Rasen umschmeichelte, flache Düne und dann … Vögel, Felsen und Muschelschrubber. Ein stattlicher Wind treibt die weißen Wolken über den himmelblauen Himmel. Das Wasser zieht sich ehrfurchtsvoll zurück bis fast zu den Britischen Inseln und das Tor zur Bucht von Goulven lädt mich ein zu einem gigantischen Sprint. Usain Bolt wäre blass vor Neid. Und dann das: Steht doch plötzlich dieser Sisu, mein Cousin aus der Eifel, neben mir und grinst blöde. Auch dem Klaus, dem sein Bruder und dem Klaus, dem seine Schwägerin wagten, es den heiligen Boden Keremmas zu betreten. Wo kamen die bloß her. Na egal. Geht mir doch an der Kruppe vorbei. Und wenn dieser Sisu, das Weichei, sich nicht anständig benimmt, gibt’s auf die Fresse, damit das klar ist! Seltsamerweise habe ich mich dann aber doch ganz gut mit ihm verstanden und wir sind sogar mehrmals zusammen den Vögeln nachgejagt. Nur beim Wasser machte er den Yannemann. Allerdings, so wird kolportiert, zum Ende der Ferien wäre er sogar geschwommen. Aber da waren wir schon wieder zurück in Bochum. Leider einen kleinen Augenblick zu spät, um die 3 : 5 – Niederlage der Nationalelf gegen die Schweiz noch live mitzuerleben.
Und jetzt ist Europameisterschaft und endlich hat mein Klaus auch sein erstes Erfolgserlebnis. Die Sommerdepression kann aber immer noch kommen. Jetzt wisst ihr auch, was ich so gemacht habe in all den Wochen. Und die Politik? Die geht mir voll an der Kruppe vorbei. Ich bin so seltsam gelassen seit meiner letzten Empfängnisbereitschaft. Lass doch den Gernot Hassknecht von der „heuteshow“ sich aufregen. Ich nicht. Lass die mal machen. Die werden schon sehen, wo das noch hinführt. Und wenn meine Östrogene, Gestagene und das Progesteron endlich wieder aus dem Gleichgewicht sind, ich mich haare wie Hulle und ich das Vorhandensein einer Leine wieder konsequent negiere, dann werde ich mich auch wieder aufregen. Über die Angela, den Philipp und das Schröderküken und wie sie alle heißen.

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